Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder des ÖAGG,
Weihnachten steht vor der Tür und damit auch die Idee der Zeit der Stille und Besinnlichkeit. Zwar entsteht oftmals vor den anstehenden Feiertagen noch einmal ausgiebige Betriebsamkeit oder sogar Hektik, doch das erscheint mit Blick auf die Freizeit durch die Feiertage bewältigbar. Aber meint Stille und Ruhe nun Freizeit, oder steckt eigentlich ein anderer Gedanke dahinter? Gilt es nicht Freizeit erholsam zu gestalten und Freizeitaktivitäten zu planen? Aus dieser Sicht wird Freizeit zur Ware einer konsumierenden Gesellschaft und damit auch ein Teil fortlaufender Selbstoptimierung.
Dem gegenüber erscheint Ruhe und Stille als eine besondere Form der Untätigkeit. Aber ist es überhaupt möglich nichts zu tun? Vielleicht geht es eher darum Zeit zu verbringen, ohne eine bestimmte Absicht zu haben oder Ziele zu verfolgen. Manche würden so eine Zeit wahrscheinlich als Langeweile bezeichnen. Langeweile könnte also eine Zeit beschreiben, die uncharakteristisch für unsere schnellen Informations- und Kommunikationsgesellschaft, zuhört und wahrnimmt und weniger den Anspruch hat, sich zu produzieren und darzustellen. Lange Weile oder Zeit ohne Absicht zur Verfügung zu haben könnte dazu beitragen, dass wir wieder zum Staunen kommen. Ludwig Wittgenstein beschrieb Staunen als „Erlebnis par excellence“. Zeit zu haben, die ungeplant, unorganisiert und frei von Absicht und Ziel ist, könnte uns überraschende Erkenntnisse und Einsichten bescheren.
Natürlich sind wir als Gremium vielfach damit beschäftigt, die Vereinsangelegenheiten in den unterschiedlichen Bereichen zu organisieren und begleiten. Dazu hat es im vergangenen Jahr zahlreiche Treffen des Vorstandes, des erweiterten Vorstandes und mit unseren „Tochtergesellschaften“ Psychotherapeutische Ambulanz und Bertha von Suttner Universität gegeben. Der laufende Betrieb des Vereines wurde sowohl inhaltlich, als auch finanziell organisiert und mit den verschiedenen Funktionär:innen reflektiert und bei Bedarf weiterentwickelt. Dafür sei den vielen beteiligten Kolleg:innen an dieser Stelle herzlicher Dank für die konstruktive und verantwortungsvolle Arbeit ausgesprochen. Ein laufender Betrieb beschränkt sich allerdings nicht nur auf seine Aufrechterhaltung, sondern erfordert - entsprechend den sich verändernden gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen - auch Entwicklung und Neuorganisation um seine Anschlussfähigkeit zu behalten.
Es ist also immer wieder Raum und Zeit nötig, egal ob für uns als Vorstand, oder innerhalb der einzelnen Sektionen, um Untätigkeit im Sinne von Kreativität zu erfahren. Ins Staunen zu kommen, also vom lediglichen Verwalten hin ins kreative, selbständige Denken und Gestalten zu gelangen, ist auch eine Intention für uns als Vorstand. Gerade mit der geplanten Veränderung des Psychotherapiegesetzes, den Veränderungen des Arbeitsmarktes und dem Lautwerden der Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen, d.h. gesellschaftlicher Sensibilisierung hinsichtlich Ungleichheit und Gerechtigkeit, erscheint dies als wesentliche Aufgabe ganz im Sinne unserer Vereinsidee der „Erforschung und Förderung des Individuums in seiner sozialen Einbettung“.
In diesem Sinne möchten wir Ihnen allen eine Zeit mit Ruhe und Stille wünschen, damit Erstaunen Platz finden kann. Sei es für die eigene Lebensgestaltung, die Familie sowie die Gemeinschaft von wichtigen oder nahestehenden Menschen, oder aber auch für größere Gruppen oder Gesellschaften.
Eine schöne Zeit mit Räumen für Untätigkeit zum Jahreswechsel wünschen
Karin Zajec, Liselotte Nausner, Georg Eckert und Franz Schiermayr